Mittwoch, 18. Februar 2015

Gori - Die anderen in meinem Kopf

Ich ziehe meine Kopfhörer auf und merke wie langsam die Stimmen der anderen verschwinden und die wohltuende Stimme der Sängerin May'n lauter wird. May'n ist eine japanische Sängerin, die ich erst vor kurzem entdeckt habe und die mich irgendwie inspiriert. Sie hat auch ein Interesse für die japanische Sprache in mir geweckt, aber ich weiß noch nicht so recht, ob ich diesem Interesse nachgehen soll oder mich lieber auf die anstehenden Prüfungen konzentrieren soll.



Es ist gerade Pause und die Leute neben mir erzählen mal wieder von ihrem Wochenende und wie sie mit Einkaufswagen besoffen einen Berg hinunter gefahren sind. Man darf sich jetzt natürlich fragen, ob der gebrochene Arm, der dabei herum kam gerechtfertigt ist oder nicht. Unsere Klasse ist nicht so aufgebaut wie die meisten. So etwas wie Gruppentische findet man bei uns nicht, worüber ich auch sehr froh bin, da es mir reicht die anderen schon in normalen Gruppenarbeiten ertragen zu müssen und mir permanent die Entschuldigungen warum man xy nicht habe erledigen können, anhören zu müssen. Gruppenarbeit ist wirklich nichts für das ich gemacht bin. Auf jeden Fall sitzt bei uns jeder an einem einzelnen Tisch, die hintereinander aufgestellt sind. Es erinnert vielleicht ein wenig an eine japanische Klasse, von der man eine ähnliche Sitzordnung gewohnt ist.

Mit guter Musik auf den Ohren sitze ich nun hier und schreibe ein paar Zeilen nieder, ehe der Mathematiklehrer mich in der nächsten Stunde wieder mit seiner Inkompetenz beglücken möchte. Seit einiger Zeit geht mir ein bestimmtes Thema nicht mehr aus dem Kopf und zwar die Tatsache, dass ich anders zu denken scheine, als viele meiner Mitschüler und diese überhaupt kein Verständnis für meine Art und Weise zu denken, haben scheinen. Ein Beispiel wäre die Situation neulich in der ein sehr weiser Deutschlehrer die Frage stellte, ob es jemanden in der Klasse gäbe, der glaubt zu wissen, wer von seinen Mitschülern die Hausaufgaben nicht gemacht hat. Wenn man seine Mitschüler ein wenig im Auge hat und sich das nicht sehr geschickt organisierte morgendliche Abschreiben vor dem Klassenraum gelegentlich gibt, dann weiß man wer seine Hausaufgaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht hat.

Mit dem Gedanken einen relativ sicheren Treffer landen zu können, habe ich mich als Einziger gemeldet und gesagt, dass ich glaube, dass die liebe Valeria ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Dies sorgte für eine große Empörung innerhalb der Klasse und man begann mich bereits zu beschimpfen, als der Lehrer das Ruder wieder in die Hand nahm und sagte, dass er das jetzt nicht überprüfen wird. Da stellt sich mir natürlich die Frage warum er überhaupt erst fragt. Natürlich war mir klar, dass er nicht wirklich eine Antwort erwartet hatte und auch er war wohl ziemlich überrascht, dass jemand geantwortet hat und sich dem Klassenverbund und den damit einhergehenden Normen widersetzte.

Eigentlich waren mir andere immer egal. Seit meinen Freunden, die mir meinen Namen gaben, gab es nie wieder Personen, die mich auch nur ansatzweise in Normen quetschen konnten. Der interessante Punkt ist aber der, dass es dennoch Leute gibt, die es schaffen mich in Situationen zu bringen, in denen ich mich unwohl fühle und das Gefühl habe in eine Form gepresst zu werden. Es sind die Erwachsenen, genauer gesprochen die Lehrer, die mich oft zwingen mich in Formen zu bewegen. Warum widersetzte ich mich nicht auch dem und gehe meinen eigenen Weg? Diesen eigenen Weg gibt es nämlich und er wartet darauf begangen zu werden.

Was ich vielleicht noch nicht erwähnt habe, ist, dass ich kein schlechter Schüler bin und mich die Lehrer für meine offene und ehrliche Art zu schätzen wissen. So versuche ich meiner Chemielehrerin immer wieder zu erklären, dass eine Gruppenarbeit mit gemischten Gruppen wenig Sinn ergibt. Sie erwidert immer wieder, dass die schlechten doch von den guten lernen können und das ein super Konzept sei. Der Grundgedanke mag ganz nett sein, aber die Realität ist leider die, dass der sowieso schon wissende arbeitet und der Rest sich darüber erfreut einen Wissenden in der Gruppe zu haben. Sie scheint es wohl nicht zu verstehen, dass ich keine Lust habe mit jedem dahergelaufenen eine Gruppe zu bilden, aber man mag es ihr verzeihen.

Auf jeden Fall schaue ich immer wieder, dass meine Handlungen ungefähr mir den Erwartungen der Lehrer kongruent sind und nicht zu große Abweichungen stattfinden. zwar diskutiere ich unglaublich gerne, aber oft zwänge ich meine eigenen Gedanken auch ein wenig ein und handle nicht so wie es mein philosophisches System eigentlich erfordern würde. Ich handle gegen meine tiefsten Überzeugungen und merke dabei, wie ich zunehmend unzufriedener werde. Es beginnt mir nur noch wenig Spaß zu machen und ich schaue zu, wie die Zeit vergeht, sehne mich nach dem, was mich interessiert. Warum schaffe ich es oft nicht, einfach meinen Weg zu verfolgen, auch wenn er vielleicht im Scheitern liegen möge. Es ist eine Idee der Industrie immer Erfolg zu haben. Viel zu viele Menschen haben keinen Erfolg, sind aber auch nicht in der Lage zu erkennen, wie sie aus diesem Misserfolg einen wahren machen können.

Mich stört der Misserfolg eigentlich nicht, dafür habe ich ihn schon zu oft spüren dürfen, aber dennoch gibt es eine Angst in mir, die mich abhält vom Scheitern und Voranschreiten. Ohne Misserfolg kein Fortschritt, so hat es doch mal eine kluge Person gesagt, oder nicht? Für mich steht fest, dass das Wichtigste ist seinem philosophischen System zu folgen und auf das zu hören, was der Kopf einem nahelegt. Beschäftigt man sich mit den Dingen, die einen tief berühren und interessieren so lernt man unglaublich schnell, beschäftigt man sich mit dem, was einem egal ist, wird man es nie lernen. Das was mir wohl manchmal fehlt ist der Mut, der Mut sich selbst zu verwirklichen und seine eigenen Grenzen zu sprengen. Ich möchte diesen Mut nun fassen, egal wohin er mich auch bringen wird.

Der Lehrer betritt das Klassenzimmer und beim Vorbeigehen an meinem Tisch springt mir sein Lachen in die Augen. Er mag zwar nicht der kompetenteste sein und macht sich auch oft zum Gespött der Leute, aber dennoch kann er inspirieren und das ist doch das, was eine Lehrkraft auszeichnet oder nicht? Während ich meine Kopfhörer abnehme, verschwindet die Stimme May'ns langsam und die Stimme des Lehrers ertönt: "Ich hoffe Sie hatten ein schönes Wochenende. Heute wollen wir uns Euklid widmen...

3 Kommentare:

  1. Wieder einmal ein richtig guter und inspirierender Text. Dankeschön dafür :)
    LG Matthias

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  2. Mal wieder ein genialer Text, anregend, inspirierend und anders. Ich hoffe du machst weiter so und Ich hätte gerne mehr, nicht heute, morgen oder gestern, sondern irgendwann.
    Lg
    Uforianer
    Mal so ne kurze Frage ließt du dir die Kommentare auf deinem Blog eigentlich durch, wenn ja bitte antworten!

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